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Posting #13096 auf der "OLCA in Dresden"-Liste
    Quelle: http://groups.yahoo.com/group/OLCA_in_Dresden/message/13096
16.03.2008
21:32 Uhr

  
Aufklärung gesucht

Hallo Weltfamilie !

Über den gestrigen Tag mit ***YEEJAW !!!*** BossHoss brauche ich ja nichts mehr erzählen, das hat Olga ja schon getan, aber über unseren Freitag wißt ihr noch nix. Wir haben Stephanie ganz schnell vom Fußballtraining abgeholt, um mit ihr ins Kino zu gehen - Andrea war kurz vorher selbst mit Freundinnen dort und ist danach in die Disco einer Jugeneinrichtung ganz in unserer Nähe gegangen (am Ende war sie aber mehr als enttäuscht und nannte es ein Jugendplappertreff mit Biersaufen).

Aber zurück zu Olga, Stephanie und mir ... wir sind in den Film "Horton hört ein Hu !" (Original "Horton Hears a Who !") und können am Ende sogar sagen, daß der Film ganz witzig und unterhaltsam war - wer Animationsfilme mag, ist damit nicht schlecht beraten.

Nun aber zu meinem Betreff "Aufklärung gesucht", denn Olga und ich hatten vor und nach dem Kinogang eine Unterhaltung über das Benehmen der Deutschen. Bevor wir Stephanie beim Training abholten waren wir in einem großen Supermarkt zum Einkaufen und ärgerten uns hier und da über die Unfreundlichkeit, Unverschämtheit und den Egoismus der Leute um uns herum. Uns scheint es in letzter Zeit so, als wären Straßenschilder nur noch farbliche Klekse im Straßengrau, Ampeln - insbesondere das Rot - nur noch nette Lichterspiele, Straßenregeln nicht zu beachtendes Fachchinesisch, höfliches Fragen jemanden passieren zu dürfen ist out und Benehmen sowieso Glückssache. Letzteres dann auch im Kino wo sich neben uns zwei Frauen, ein Mann und zwei Kinder niederließen - oder waren es am Ende doch nur 5 Kinder ? Bei Werbung läßt man das Quatschen der Weiber ja noch zu, bei den Trailern beginnt man sich so langsam zu ärgern und nach 10 Minuten Film ist mir der Kragen geplatzt: ich habe sie höflich aber bestimmend darauf hingewiesen, daß der Film bereits angefangen hat und wenn sie sich weiter unterhalten wöllten doch bitte gehen sollten. Natürlich wurde ganz in Erwartung unserer Erfahrungen diese Aufforderung ins Lächerliche gezogen und mit dem Satz "Nö, das ist uns zu weit" quittiert. Ruhig Carsten, Krallen wieder einfahren, Dampf leise ablassen und laut ARSCHLOCH denken ! Jedenfalls hörte das Quatschen dauerhaft nicht auf und nach 40 Minuten entschied man sich den Saal für 5 Minuten zu verlassen. Nur die zwei Kinder ließen sie zurück. Dann kamen sie wieder, quatschten wieder laut mit den Kids, um dann endgültig rauszugehen ... endlich !

Kommt uns das nur so vor oder sind diese Beschreibungen wirklich Standard in Deutschland oder sogar überall geworden ? Da bringt man seinen Kindern bei freundlich und zurückhaltend zu sein und am Ende bewahrheitet sich die 90er-Jahre-Weißheit der Prinzen --> "Du mußt ein Schwein sein in dieser Welt". Ich finde es ja mehr als traurig !

Es wird gemeckert wo es nur geht, um vielleicht noch den ein oder anderen Vorteil zu ziehen, Schlangen sind dazu da, um sie zügig zu passieren und mit breitem Grinsen am Anfang einzureihen, die Gelbphase vor dem Rot ist das Startzeichen für Vollgas und ein tiefrotes Licht beim Überqueren der Kreuzung gilt als Siegeszeichen, Anrempeln statt Reden ist ja viel effektiver und das Thema ein (!) Raucher inmitten von Nichtrauchern brauche ich wohl nicht weiter auszuführen. Was gäbe ich in manchen Situationen doch für die Freigabe der Selbstjustiz, denn alles andere wird eh nur mit einem breiten und frechen Grinsen quittiert - da würde die ein oder andere platzierte Faust in dem Grinsen doch am Ende viel mehr Spaß machen und die eigene Seele beruhigen.

OK, genug aufgezählt, wie sieht es bei euch aus ? Wie ist es in den anderen Ländern ? Oder in den anderen Gegenden Deutschlands ? Machen nur wir solche schlechten Erfahrungen ? Fragen über Fragen ...

ciao
   Cadi


  
Die 1. Antwort kam aus Frankreich:

Lieber Carsten,

was Frankreich angeht, so kann ich da nicht pauschal antworten ... es gibt Frankreich ... und Paris (und eventuell ein paar andere Großtädte, wie Marseille, Bordeaux, etc, die auch eher zu Paris hintendieren ...).

Paris: mein erster Eindruck damals in der Metro: Wow !!!! Du kannst soviel die Ellenbogen einsetzen, wie du willst, solange du brav "pardon" sagst, nimmt dir das keiner großartig übel !

Rote Ampeln ??????? Ich glaube, und das gilt nun doch für ganz Frankreich, die existieren eh nur, um im Falle eines Unfalls bei der Versicherung klarstellen zu können, wer Schuld hat und wer nicht ... und dem Fußgänger zu sagen: Achtung, die Gefahr überfahren zu werden steigt momentan um 80 % ... im Gegensatz zu Deutschland, wo das noch nicht so lange der Fall ist (mein Mann war bei seinem ersten Berlinbesuch schwer beeindruckt von der Fußgängermasse, die doch tatsächlich an der roten Ampel anhielt, obwohl das Auto noch sooooo weit weg war !!!), ist man das allerdings in Ländern wie Frankreich eben gewohnt und rechnet das mit ein, wenn man Auto fährt ...

Tempolimitschilder werden nur dazu benutzt, sich aufzuregen und ausrechnen zu können, um wieviel man genau zu schnell gefahren ist ... naja, das wird langsam besser, denn Radar und andere Kontrollen haben stark zugenommen und die Bestrafungen sind hart und teuer ... da überlegt dann sogar der Franzose, ob er das Geld dann nicht doch lieber in ein Stückchen Leberpastete und ein gutes Glas Rotwein anlegt ...

Aber ich schweife ab und bin nicht mehr in Paris ... die Kiddies in Paris haben es mit Respekt auch nicht so und da wird Kaugummiblasen geplatzt bis zum geht nicht mehr im Kino geplappert etc ... mit dem Großtadtstreß scheint auch die Aggressivität der Kinder zu steigen ... und der Willen der Eltern, das zu unterbinden scheint prozentual dazu zu schwinden ...

Wie gesagt, hier ist viel auch sehr regionabhängig ... der Südwesten ist dafür bekannt alles etwas gemächlicher anzugehen, sich bei allem etwas Zeit zu nehmen, aber dementsprechend werden auch die Ellenbogen weniger eingesetzt, man einigt sich an der Kasse höflich darauf jemanden vorzulassen, der nur ein Baguette kaufen will ... man wird schief angesehen, wollte man mal nur "bonjour" sagen, anstatt "bonjour, Madame" ... sollte man mal total vergessen jemanden zu grüßen, dann ist man total unten durch und tut gut daran, den Betroffenen den Monat darauf drei- bis viermal zum Apperitif einzuladen, um dieses Vergehen wieder gut zu machen ...

An rote Ampeln hält man sich auch hier nicht ... und mittlerweile kann ich dir aus Erfahrung sagen: da gewöhnt man sich dran, in unserem Dorf wird daher eh nur mit Zebrastreifen gearbeitet    ;-)    und wir stehen da nicht alleine da    ;-)

Kurz: an Regeln hält man sich in Frankreich nicht gerne ... sie sind dazu da, gebrochen zu werden und ein beliebtes Mittel sich so eben dem Staat ein kleines bißchen entgegen zu setzen und sich für die Steuern zu rächen ... Respekt allerdings wird sehr sehr groß geschrieben ... ein Kind kann dir quasi die Fensterscheibe einschlagen, solange es dannach kommt und sagt "Guten Tag mein Herr, würden sie mir bitte verzeihen, daß ich ihnen ihr Küchenfenster aus Versehen eingeschlagen habe ... ich bedanke mich im Voraus " ... ich glaube, dem Kind würde über den Kopf gestreichelt werden und alles wäre OK ... bei einem Apperitif (jaja, das A und O in Frankreich, das dürftet ihr bemerkt haben !) würden sich dann der Geschädigte und die Eltern (selbstverständlich nach einem respektösem "Bonjour, Monsieur" ... gefolgt am besten noch vom Namen !!) zusammensetzen und bereden, wie man am besten die Versicherung reinlegen könnte, damit beide Seiten einen Gewinn aus der kaputten Fensterscheibe ziehen können ...

Jaja, Respekt ist alles ... vor allem vor der älteren bzw. alten Generation ... die Kinder wissen, daß sie nicht einfach wegrennen können, wenn mal wieder eine Rentnerin aus dem Dorf sie ruft ... "Hallo, dich kenn ich doch" ... ein flehender Blick auf Mama ... aber da müssen sie eben ab und zu durch ... und sie verstehen sich mittlerweile super darauf die "bonjour, Madames" und "oui, Madames" genau im richtigen Moment an zu säuseln ... Respekt ist das Wichtigste ... "Na, meine Kleine, erkennst du mich noch ????" wurde Maxi mindestens dreimal gefragt am Freitag bei der Amtseinführung ... "aber natürlich kenne ich sie noch !!!!" Die Omi war glücklich und ich überrascht ... so ne gute Erinnerung für ein Kind, das am nächsten Morgen nicht mehr weiß, wo es am Abend die Schuhe aufgeräumt hat ... "ach, Mama, keine Ahnung wer das war, aber so hat sie sich richtig gefreut" ... meine Tochter ist Französin !!

Liebe Grüße
Kerstin


  
Die 2. Antwort kam aus Deutschland:

Hallo Carsten und OLCAsianer,

folgendes ist mir spontan eingefallen. Bin aber sicher, dass da noch viel mehr ist:

Was mich nervt .......

- Autofahrer, die ohne zu blinken aus dem Kreisverkehr rausfahren

- Autofahrer, die bei dunkelrot über die Ampel fahren, und damit den anfahrenden Verkehr gefährden

- Autofahrer, die von der Beschleunigungsspur der Autobahn aus gleich in die Mittelspur ziehen oder aber in die linke (beobachte ich seit ungefähr einem halben Jahr verstärkt - einer machts vor, alle machen es nach)

- im Flughafen beim Check-In die Aufrufe: "Mütter mit Kindern und Kranke zuerst" ignorieren und sich gleich anstellen (einmal dumm gestellt, reicht fürs ganze Leben....)

- ins Kino gehe ich schon gar nicht mehr, weil ich die Popcorn-Chips-Nachos-Bonbons-Vertilger, Getränke-Schlürfer und Plappermäuler, die natürlich immer neben mir sitzen, einfach nicht mehr ertrage. Wenn ich schon viel Geld dafür ausgebe, will ich gefälligst in Ruhe den Film geniessen und mich nicht über solche Idioten schwarz ärgern

- Raucher...egal wo.....letztlich kriege ich den Rauch immer ab - egal ob im Freien oder in der Kneipe. Wobei für letzteres nun doch schon ein halbherziges Ende in Sicht ist. Bei dem Thema könnte ich auch platzen.....

Dagegen erlebe ich es im Supermarkt immer wieder, dass man vorgelassen wird, wenn man nur ein, zwei Teile hat. (Ich lasse dann auch anderen die "Vorfahrt")

Was das Überqueren der roten Fussgängerampel betrifft, kippe ich mir selbst Asche übers Haupt. Allerdings mache ich das nur, wenn keine Autos, Polizisten oder Kinder zu sehen sind. In Irland erkennt man übrigens Touristen auch daran, dass die an roten Ampeln stehen bleiben.    :-)

Ansonsten habe ich die Erfahrung gemacht, gerade im Supermarkt, wenn man Leuten mit einem Lächeln begegnet, schieben die bereitwillig ihre quergestellten Wagen zur Seite. (Ok, innerlich schreie ich sie mit folgenden Worten an: Verdammt noch mal, denkt ihr, ihr seid allein auf der Welt ????) Vermutlich hat das Lächeln aber einen grösseren erzieherischen Wert ...

Liebe Grüsse
Alex